Eine Kooperation von kleinKunst Gengenbach e.V. und dem Flößerei- und Verkehrsmuseum Gengenbach
Das letzte Floß, das 1894 die Kinzig hinabfuhr, war geschmückt mit Tannengrün und schwarzem Flor. In Wehmut wurde damals Abschied genommen: "Wir hängen an der Flößerei wie am Leben", diese damalige Aussage umschreibt einen Schmerz, der sich mit der wirtschaftlichen Bedeutung der Flößerei für die Menschen im 18. und 19. Jahrhundert erklären lässt, denn das Flößerhandwerk und der Holzhandel waren lebensspendend.
Jene historisch bemerkenswerte Daseinsform, geprägt von harter Arbeit, Zunftordnung, Berufsethos und Naturleben, gilt es nicht zu vergessen. Mit dieser Überzeugung betreut die Stiftung Flößerei- und Verkehrsmuseum Gengenbach seit 1991 im ehemaligen Bahnwärterhaus das gleichnamige Museum. Die ehrenamtliche Arbeit des Museumsteams speist sich aus dem Idealismus und dem Bewusstsein, den kommenden Generationen mit diesem wertvollen Teil der Heimatgeschichte eine Brücke zu den eigenen Wurzeln zu schaffen.
Geht man in der Betrachtung der historischen Flößerei einen Schritt weiter, kann das Floß zum Symbol für das Leben des Einzelnen werden. Auf dem Fluss - dem Strom des Schicksals - nimmt es seinen persönlichen Weg. Dr. Fritz Baas hat diesen Ansatz zum Grundthema des einzig bekannten Theaterstücks über die Flößerei vor dem Hintergrund des bedeutenden Kapitels heimatlichen Volkslebens gemacht: "Es ist der uralte Gegensatz, das Neben- und Ineinander von naturgegebener Gebundenheit und frei entscheidendem Willen. Beides muss bejaht werden, das schicksalhafte Ausgeliefertsein und die menschliche Willkür".
Das Stück "Die Flößer-Anna" wurde im Jahre 1954 uraufgeführt. Die Witwe des Autors übertrug die Rechte für das Stück an Konrad Schilli vom Flößerei- und Verkehrsmuseum Gengenbach.
So konnte bis Ende Mai 2004 in Kooperation mit kleinKunst gengenbach e.V. ein frühsommerliches Freilicht-Theater erfolgreich geplant werden. Als Aufführungsort war der lauschige, von alten Lindenbäumen gesäumte Platz an der Kinzig wie geschaffen - war hier doch Jahrhunderte lang die Floßanlegestelle und der Schnittpunkt dreier Verkehrswege: Fluss, Schiene und Straße.
Die Flößer-Anna spielt in den 70-er Jahren des 19. Jahrhunderts. Die Handlung ist über das Milieuhafte und Typische hinaus frei erfunden. Im Ausschnitt von sieben Jahren wird das Leben der Flößerfamilie Baldner dargestellt. Neben der Schilderung des konfliktreichen Alltags des Baldners fließen auf reizvoll unterhaltsame Weise anschaulich die Zunftgebräuche und Gepflogenheiten der Flößer ein. Mit der weisen Aussage des alten Flößers Joose Peter wächst das Theaterstück über eine bloße Beschreibung des Flößerlebens hinaus:
"Do druff kommt's an: Sich vom Lebe triewe z'lasse, wo's mit einem hin will und
doch debie s'Ruder fescht in de Hand zu b'halte, es nie loszulasse, was au kommt." Eine einfache Flößerweisheit, möchte man meinen und doch in diesem umfassenden Sinn nicht ganz leicht zu begreifen, schwerer noch zu befolgen.
Die elf Laienschauspieler des Ensembles haben mit großem Eifer in sechs Monaten das Stück eingeübt. Das Gelingen der eindrucksvollen Aufführung war insbesondere der professionellen Regie von Peter-Christian Gerloff und der Assistenz von Sibylle Geiger zu verdanken.
Bei strahlend blauem Himmel wurde das Rahmenprogramm an den vier Aufführungstagen von zahlreichen Gästen genossen. Vom Kinzigtorturm ertönte das original Türmerhorn von Anno 1718, mit dem Jahrhunderte lang die Ankunft der Flößer gemeldet worden war, um die Entrichtung der Zollgebühren zu veranlassen. Die Veranstalter freuten sich sehr über diese "historische" Bereicherung von Seiten des heutigen Türmers.
Nach über einhundert Jahren legte ein sechzig Meter langes Floß aus Schiltach am Ufer der Kinzig an. Dazu spielten die "Fidelios" der Stadtkapelle Gengenbach. Das Eintreffen der Schiltacher Flößer wurde als Jahrhundertereignis gefeiert. Während sich die Flößer bei einem kühlen Bier und einer deftigen Mahlzeit stärkten, berichteten sie über die Geschichte des Holztransportes mit Flößen aus dem Schwarzwald und früheren Floßfahrten.
Mit der Flößergilde Gengenbach-Schwaibach befreundete Flößerzünfte aus Altensteig, Gernsbach, Horden, Steinmauern und Schiltach bereicherten in ihren historischen Trachten das bunte Festgeschehen. Am zweiten Wochenende der Aufführungen legte auch die Flößergilde Gengenbach-Schwaibach mit ihrem eigenen Floß am Kinzigufer an. Der Singkreis von klein-
Kunst gengenbach e.V. unterhielt die Gäste mit alten und neuen Liedern der Flößer, deren Texte, humorvoll vorgetragen, großen Applaus auslös- ten. Das Flößerei- und Verkehrsmuseum war während der Veranstal- tungen durchgehend ge- öffnet und die Besitzer von Theaterkarten hatten freien Eintritt. Das An- gebot der Sonderführun- gen und historischen Filme nahmen die Besu- cher gern an. Zur guten Feststimmung trugen auch die Musikanten Reinhard Enderle und Volker Ehrlich mit ihrem bewährten Repertoire bei. Das begeisterte Publikum und vier ausverkaufte Vorstellungen sprechen für die gelungene Kooperation der Veranstalter. Möglich war dieser Erfolg auf der Basis einer vertrauensvollen und harmonischen Zusammenarbeit der Stiftung Flößerei- und Verkehrsmuseum und kleinKunst gengenbach e.V. und mancher anderen, die das ihre dazu beigetragen haben. Das Theater an der Kinzig mit dem Titel "Die Flößer-Anna" war ein großer ideeller Erfolg und ist ein weiterer Höhepunkt der schon seit dem Jahre 1980 erfolgreichen Geschichte der Flößergilde Gengenbach-Schwaibach.
Text: Luise Herrmann-Jehle, Fotos: Frank-D. Paßlick
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